Seid wachsam

„Wachet!“ – aus diesem Wort bestand die Losung für März vor zwei Jahren. Sie erinnerte uns an Jesu Kommen, und dass wir letztlich nicht wissen, was morgen kommt und sein wird. Ich hatte damals gerade noch eine Andacht für den aktuellen Gemeindebrief geschrieben: Fertig war er, mit all den geplanten Terminen für die nächsten Monate. Und kurz darauf waren die Kirchen für mehrere Wochen geschlossen, und ebenso Schulen und Kitas, viele Läden und Arbeitsplätze, Sportvereine und Chöre, … Niemand wusste noch, was morgen kommt.

Das ist nun genau zwei Jahre her, und in diesen beiden Jahren musste ich immer wieder an dieses „Wachet!“ denken: wenn mir Menschen erzählten, wie einsam sie sich nun fühlen, oder wenn Trauernde sich nicht am Sterbebett verabschieden durften, oder wenn Familien oder Unternehmer am Ende ihrer Kräfte waren. Ich musste daran denken, wenn ich in enttäuschte Kindergesichter sah, weil wieder etwas abgesagt wurde, oder wenn ich den Frust bei Vereinen merkte, weil sie hofften und dann doch alles ausfallen musste.
Aber am meisten musste ich an dieses „Wachet!“ denken, wenn ich hörte, dass die Impf- oder Maskenfrage Familien und Freundschaften entzweite, wenn ich spürte, wie wenig Verständnis für die Ansichten der „anderen“ noch da war, und wenn ich sah, welche Spalten und Risse dabei gar in Kirchgemeinden entstanden. Ja, die letzten zwei Jahre haben unser Miteinander beeinflusst und verändert.

 

Zwei Jahre später enthält die Monatslosung von März nun wieder den Ratschlag „wachsam zu sein“: „Hört nicht auf, zu beten und zu flehen! Betet jederzeit im Geist; seid wachsam, harrt aus und bittet für alle Heiligen.“ (Epheser 6,18)

Der Ratschlag „seid wachsam“ ist eingebettet in die Aufforderung zu beten, sich Jesus zuzuwenden und füreinander im Gebet einzustehen: wie gerade jetzt für die Situation in der Ukraine. Eingebettet sind diese Worte zudem in der Beschreibung einer „Waffenrüstung“, die uns stärken soll für die Herausforderungen der Zeit: Dabei ist z.B. von Schuhen die Rede: „Schuhe an den Füßen, bereit für das Evangelium des Friedens.“

Und genau diese Schuhe des Friedens wünsche ich uns, wenn ich auf manche Spalten, Verletzungen und zwischenmenschliche Risse der letzten beiden Jahre schaue:


Schuhe, die uns bestärken, aufeinander zu zugehen,
Schuhe, die uns einladen, uns auch mal gedanklich in die Schuhe der anderen zu stellen,
Schuhe, die uns innehalten und auf Jesus sehen lassen,
Schuhe, die uns zeigen, wo wir vielleicht verletzt haben oder verletzt worden sind;
Schuhe die uns Mut schenken, über Gräben zu springen und zu vergeben,
Schuhe die uns helfen, unsere Schritte wachsam zu gehen.

 

Diana Wolff

Pastorin der Evangelisch Methodistischen Kirche im Sehmatal