Gespräch mit einem Mörder und was Gott damit zu tun hat

Ich war damals Zivi in einer sozialen Einrichtung in Annaberg-Buchholz. Eines Abends kam ein Mann herein, dem ich vorher nie begegnet war und nachher auch nicht mehr. Das Gespräch war freundlich und intensiv. Er gab mir Einblick in seine esoterische Weltsicht und ich ihm in meine christliche. Wir tauschten uns über Gott aus. Ahnungslos versicherte ich ihm, dass Gott uns helfen möchte, mit unserem Versagen klar zu kommen. Er würde auch einem Mörder vergeben, wenn der seine Schuld bereuen und das Gespräch mit Gott suchen würde, erwähnte ich beiläufig. Für mich war es in diesem Moment ein willkürliches Beispiel, um zu verdeutlichen, was ich meinte. Einigermaßen verdutzt schaute mich der Mann plötzlich an und fragte: „Robert, wie kommst du jetzt darauf?“ Sein fragender Gesichtsausdruck steht mir heute noch vor Augen.

 

Acht Tage später sah ich ein unkenntlich gemachtes Bild von ihm in der Freien Presse. Dazu die Information, dass die Polizei ihn festgenommen hat, da er drei Monate zuvor einen Menschen aus
seinem Umfeld brutal ermordet hatte. Das konnte ich nicht ahnen. Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs wusste das noch niemand außer Gott. Und der nutzte das Gespräch, sodass der Mann hörte, was er in diesem Moment von Gott hören sollte. Es war gewissermaßen ein hoffnungsvoller Zuspruch von Gott. Ein Zeichen dafür, dass Gott ihn kennt und trotz allem den Kontakt mit ihm sucht. Eine Einladung zum
Ehrlichsein und zur Vergebung. Sicher, die juristischen Konsequenzen musste der Mann tragen und saß anschließend jahrelang im Gefängnis. Aus Gottes Sicht war damit die Hoffnung für sein Leben wohl aber nicht verloren.


Ich habe in dieser Situation mehr über Gott gelernt, als über den Menschen. Wenn Gott nicht den Mörder zurückweist, dann auch uns nicht. Damit wird das Versagen nicht relativiert. Aber es wird eine
Dimension sichtbar gemacht, die über den Moment unseres Scheiterns hinausreicht. Die in der vergangenen Woche gehörte Osterbotschaft klingt in folgendem Bibeltext nach: „Jesus Christus ist die
Versöhnung für unser Versagen, nicht allein aber für das unsere, sondern auch für das der ganzen Welt.“ (1. Johannes 2,2) Was für eine Ermutigung, den Kontakt mit Jesus zu suchen.

 

Pastor Robert Schneider