Tau und Regen

„Er sendet Tau und Regen“, sagt Matthias Claudius. Er, das ist der lebendige Gott, von dem alle gute Gabe kommt. So bekennt es die Christenheit. Sie weiß aber auch , dass es Zeiten gibt, wo diese gute, lebensnotwendige Gabe ausbleibt oder zur Katastrophe wird. Letzteres hat sich tief ins kollektive Menschheitsgedächtnis mit dem Wissen um eine alles vernichtende Flut, die Sintflut eingeprägt. Die Bibel, und nicht nur sie, hat es aufbewahrt. Aus gutem Grund, als Erinnerung und Mahnung, dass wir mit unserer Lebensweise deren Grundlagen nicht wieder zerstören, Gottes gute Gabe an uns reißen, als wäre sie unser Besitz, was sie aber nicht ist. Wobei gesagt werden muss, das „unser“ hier nicht der Wirklichkeit entspricht, denn es ist die Minderheit, die sich das Besitz- und Verfügungsrecht selbst zuspricht. Diese Grenzüberschreitung hat ernste, wenn nicht verheerende Folgen. Wenn ich am Montag, 18. Juli diese Zeilen schreibe, vermelden die Wetterdienste seit Tagen extreme Temperaturen im Süden Europas, die nun auch zu uns kommen, bzw. gekommen sind. Der populäre Meteorologe Sven Plöger hat am vergangenen Sonntag im einer Gesprächsrunde sehr ernste Töne angeschlagen und eindringlich umgehende Maßnahmen angemahnt. Das ist unser aller Verantwortung.

Es ist zuerst und zuletzt unsere Verantwortung vor Gott, dem Schöpfer und Freund des Lebens. Als Israel in alter Zeit seinen Wohlstand und sein Glück auf eigene Kappe suchte, vollzog sich dies zugleich in einer Abkehr vom lebendigen Gott, der Quelle des Lebens. Als der Frühregen ausblieb und kein Spätregen kam, sah der Prophet Jeremia das als Folge , dass sie die Quelle des Lebens verlassen hatten, damit auch schuldig aneinander wurden, das Miteinander nicht mehr gelang. Jeremia sagt unmissverständlich unter Hinweis auf krasses Versagen im sozialen Verhalten: „Eure Verschuldungen und Sünden halten das Gute von euch fern“ (Jeremia 5, 24; 6, 1-15). Im Kapitel 14 gibt er im Auftrag des HERRN einen aufrüttelnden Einblick in die dramatische Situation, die entstanden ist und ruft zu Besinnung und Umkehr. Auch wir sollte und dürfen die Möglichkeit, die uns noch gegeben ist, nicht verspielen.

Noch fließt Wasser. Noch wächst Getreide auf den Feldern. Es bewegt mich innerlich sehr und macht mich froh und zuversichtlich, wenn ich auf dem Friedhof in Crottendorf die Gießkanne mit Brunnenwasser füllen kann und Gottes Wort dabei lese, das dort angebracht ist: „Gottes Brünnlein hat Wassers die Fülle“ (Psalm 65,10). Ob es dieses Wasser auch ständig für uns bereithält, ist eine Frage. Die Antwort hat auch mit uns zu tun. Unseren Herzen, unserer Mitmenschlichkeit und vor allem mit unserer Liebe zu Gott, wie es Jesus sagt: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzen Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem Gemüt und deinen Nächsten wie dich selbst“ (Lukas 10, 27). „Er sendet Tau und Regen.“

 

Thomas Röder

Pastor i.R. Friedenskirche Crottendorf