Sprachfähig sein

Sprachfähig sein

Es gibt viele Themen, über die die Menschen mitreden wollen. Sei es Krieg, Gaspreise oder Fachkräftemangel. Man erlaubt es sich darüber zu reden, auch wenn man die Komplexität des Themas vermutlich nicht ganz überblicken kann. Das ist einerseits gut, dennoch darüber zu reden, denn dadurch wird das Thema aktuell gehalten und die vielen Menschen drängen zu einer Lösung. Man kann es also nicht einfach vergessen oder ignorieren, wie das gerne mit dem Umweltschutz gemacht wird.
Andererseits wird die fundierte Meinungsfindung durch zu viele unqualifizierte Äußerungen behindert.
Auch im christlichen Glauben gibt es solche Fragen. Doch wie wird man dazu fähig, über eine Frage zu sprechen, so dass man der Lösung zuträglich ist? Ist dabei nur fachliches Wissen wichtig, muss es ein anerkannter Titel sein oder sind doch auch soziale Kompetenzen nötig?
Jesus Christus wurde damals von einem der angesehenen Glaubenslehrern, mit denen er oft diskutierte, gefragt, welches denn das höchste Gebot sei. Ist es wichtiger, vor allem Gott zu lieben oder drückt sich die Liebe zu ihm nicht darin aus, dass wir seine Schöpfung, im Besonderen, die Menschen lieben? Man könnte fragen: besser zuerst Gottesdienst oder zuerst der Dienst am Menschen?
Jesus antwortet darauf mit dem "Doppelgebot der Liebe" (u.a. Markus 12,28-34). Indem er darin beides gleich wichtig stellt, macht er damit deutlich: um die Liebe zu Gott zu verstehen, braucht es die Liebe zum Mitmenschen und um die Liebe zum Mitmenschen zu verstehen, braucht es die Liebe Gottes zu uns.
In dieser Diskussion lobt der Schriftgelehrte Jesus und er wiederum ihn, für diese gute Erkenntnis. Denn man ist sich darin einig, wie wichtig das fürsorgende Miteinander ist, auch wenn es Streitfragen gibt. Dies ist zwischenmenschliche Liebe.
Mit dieser Ausrichtung werden wir von Christus, dem Wort Gottes, zur Mitsprache befähigt. Zwar nicht auf dem Gebiet der Profession, dafür aber auf der Ebene der Zwischenmenschlichkeit. Wie wichtig diese Ebene ist, zeigt leider oft die Streitkultur in der Welt. Dass Beleidigungen keine freie Meinungsäußerung sind und Forderungen ohne Mitwirken die Lösungssuche erschweren, wird dabei oft vergessen. Das Gegenüber ist nicht unser Feind, sondern Hass, Gewalt und Egoismus. Sicherlich ist eine Diskussion kein emotionsfreier Raum. Jesus hat auch oft hart mit den Glaubenslehrern gestritten. Uns kann dabei schnell mal eine unbedachte Aussage über die Lippen kommen. Deshalb braucht das Miteinander stets Vergebungsbereitschaft. Dies ist göttliche Liebe, wie sie uns alle von Christus her angeboten wird, damit wir wieder aufeinander zugehen können.

 

Markus Wiedemann

KV der Ev.-Luth. KG Crottendorf