Das Wandern ist des Kindes Frust…

Wie erzeugt man bei Kindern schlechte Laune? Ganz einfach. Man sagt nur einen Satz: „Kommt, wir gehen ein Stück wandern.“ Und schon geht das Murren los und die Stimmung ist im Keller. Man versucht dann dagegen zu halten. Redet mit Engelszungen und macht irgendwelche Versprechungen nach dem Motto: „Ist nur eine ganz kleine Tour und unterwegs gibt’s ein Eis…“ und so weiter. Aber Begeisterung für das Wandern wird man wohl bei den meisten Kindern nie erzeugen. Wenn man dann zurück ist, wars meistens ganz schön. Das geben die Kinder dann sogar zu. Aber beim nächsten Mal geht das Theater garantiert wieder von vorn los.

 

Vielleicht sollten wir das Reizwort „Wandern“ künftig besser vermeiden. Ich hätte da eine Idee. Nennen wir es einfach „Pilgern“. Das klingt irgendwie interessanter. Und es ist auch eine faszinierende Sache. Man macht sich auf zu Fuß (oder meinetwegen auch mit dem Rad) und erkundet ein Stück unserer schönen Heimat. Der Leib kommt in Bewegung und die Gedanken allmählich zur Ruhe. Und wenn der Kopf einigermaßen frei ist, kann ich die Dinge um mich herum aufmerksamer wahrnehmen. Ich staune über die Schönheit der Natur und sage mir: „Das kann doch alles kein Zufall sein.“ Ich betrachte mein Leben in all seinen Facetten - auch in seiner Rastlosigkeit. Und ich frage nach dem Ziel - versuche den Sinn des Ganzen wieder zu entdecken.

Und ich merke, wieviel Grund ich habe, dankbar zu sein. Aber wem? Schicksal, Zufall? Meine Dankbarkeit braucht eine Adresse. So kann ich (wenn ich es zulasse) Spuren Gottes in unserer Welt und in meinem Leben entdecken.

Und darüber kann ich ins Gespräch kommen mit denen, die mit mir unterwegs sind - auch mit den Kindern. Aber man kann auch mal schweigen. Und wenn ich möchte, können mein Staunen, meine Dankbarkeit, aber auch meine Sorgen in ein schlichtes, stilles Gebet münden.

 

Das ist Pilgern. Jeder einfache Spaziergang kann so zu einem Pilgerweg werden. Und das ist wirklich alles andere als langweilig. Und wenn dann noch ein Eis als Belohnung dazukommt, können wir vielleicht sogar unsere Kinder dafür gewinnen.

 

Mit einem herzlichen Glückauf grüßt,

Superintendent Dr. Olaf Richter, Annaberg-Buchholz