„Die Würde des Menschen ist unantastbar“

So steht es in Artikel 1(1) des Grundgesetzes und es heißt dann weiter: „Sie zu achten und zu schützen ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Die Würde des Menschen! Wer möchte sie nicht für sich beanspruchen und in Anspruch nehmen. Sie ist Voraussetzung allen menschlichen Miteinanders, Grundlage jeglicher menschlicher Gemeinschaft. „Die hier garantierte Unantastbarkeit der  Würde des Menschen hat ihre geistesgeschichtlichen Wurzeln sowohl in der christlichen Lehre vom Menschen als dem Ebenbild Gottes wie in der vor allem seit Kant geläufigen Idee von der sittlichen Autonomie des Menschen“, ist in einem Kommentar zum Grundgesetz zu lesen. Wie gehen wir  mit dieser Würde um?  Wenn sie  ein so hohes Gut ist, dann müssen wir sie bewahren und schützen. Sie ist ja „unantastbar“.  Das ist eine absolute Aussage, der sich jeder zu stellen hat. Und jeder, das sind Sie, das bin ich. Wir sind in der Pflicht.  Werden wir ihr gerecht? Und wem sind wir verantwortlich? Dem Gesetz. Dazu ist es ja da. Es zieht Grenzen, die das Leben in geordnete Bahnen lenken und  Freiheit eröffnet , die, in Verantwortung gelebt, das gemeinsame Wohl und den Schutz des Lebens achtet und ernst nimmt.  Hier freilich stößt das Gesetz selber an seine Grenze. Diese Grenze ist das Menschenherz. Es kann sich verweigern. Es kann  Gesetze umgehen. Es kann  Gesetze brechen. Darum müssen immer neue Gesetze her.  Das ist gut und dämmt Fehlentwicklungen ein. Menschen zu ändern, vermögen sie aber nicht. Ist das das unabänderliche Schicksal,  dem Artikel 1 unseres Grundgesetzes unterliegt? Nein. Denn die Würde des Menschen liegt in seiner Herkunft. Sie ist weder erdacht noch erworben. Sie kommt uns zu. Sie ist verliehen. Höchste Auszeichnung. Gnade. „Gott wird Mensch, dir Mensch zugute; Gottes Kind, das verbindt, sich mit unserm Blute“ heißt es in einem Weihnachtslied von Paul Gerhardt.  Jesus Christus ist dieses Kind, Gottes Sohn, der wahre Mensch. Er hat weder ein Buch geschrieben noch ist er als Gesetzgeber aufgetreten. Seine Gabe ist seine Hingabe für uns alle bis zum Tod am Kreuz. Sein Leben hat er gegeben und lebt doch durch Gottes Macht, denn er ist wahrhaftig auferstanden. Wie er unseren Tod auf sich genommen hat, gibt er uns auch Anteil an seinem Leben. Es ist Gottes Geist, neues Leben. In diesem Geist der Würde und Versöhnung dürfen wir miteinander leben. Jeder Tag setzt einen  neuen Anfang. Gott schenkt ihn. Wir dürfen ihn bitten: „Gib uns deine Liebe, damit wir uns wiedererkennen in den Menschen, denen wir begegnen. Hilf uns, dass wir einander aufrichtig, einfühlsam und mit Achtung begegnen.“   Artikel 1.  hat seine Chance.

 

Pastor Thomas Röder