Arm dran

Der ist arm dran, sagt man manchmal oder: Der geht’s erbärmlich. Da müsste sich mal jemand erbarmen.

Man muss nicht arm an Besitz sein, um „arm dran“ zu sein. Erbärmlich zumute ist es so manchem, der scheinbar ganz normal morgens auf Arbeit geht und abends nach Hause zurückkehrt. Äußerlich funktionieren viele Menschen und tragen doch große innere Not unausgesprochen mit sich herum.

Eine Frau erzählte von der Angst, die sie plötzlich in der Nacht regelrecht überfiel. Ihr Herz begann zu rasen, sie konnte keinen ruhigen Gedanken finden. Panik erfasste sie, die in Verzweiflung mündete. Die handfesten Schwierigkeiten auf ihrer Arbeit hatten sie aus dem Schlaf gerissen.

 

Vor über 2.000 Jahren formulierte einer oder eine: Ich bin elend und einsam. Ich habe große Angst. Andere Leute wünschen mir Übles. Feinde stellen mir voller Hass nach. Ich fürchte mich vor Kränkungen, die an meiner Seele bleibende Schäden hinterlassen werden.

Jener Mensch klagt nicht nur, sondern spricht auch von seiner eigenen Schuld. Hatte er sich zu viel zugetraut? Hatte er die Grenze seines Leistungsvermögens oder seines Könnens ignoriert? Hatte er Fehler gemacht, auf die nun andere hämisch mit dem Finger zeigten? Wir wissen es nicht. Aber er schiebt die Verantwortung für sein Elend nicht einfach nur anderen Leuten zu.

Im 25. Psalm hat sich die Schilderung seiner Not bis zu uns heute erhalten. Der morgige Sonntag hat von einer Zeile dieses Psalms seinen Namen bekommen. Reminiszere… Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit. So betete der biblische Dichter. Denn so elend ihm zu Mute war, hatte er doch nicht vergessen, dass Gott barmherzig ist. Gott fühlt mit, er hilft, er ist gütig. Und deshalb ruft er den Ewigen an.

 

Ähnlich klingt ein anderes altes Gebet: Jesus Christus, erbarme dich meiner. Der Abt eines russischen Klosters empfahl seinen Besuchern, diese Worte wieder und wieder zu beten. Bis heute wird das weltweit getan. Manche fragten jenen Abt zurück: „Ist dieses Gebet nicht zu egoistisch? Ich kann doch nicht bloß an mich denken. Ich habe zwar auch meine Sorgen. Aber anderen geht es doch viel schlechter!“ Ernst und ein wenig schmunzelnd soll jener Abt geantwortet haben: „Ihren Mitmenschen ist wahrlich gedient, wenn der Herr sich Ihrer erbarmt“. Denn wo Gott sich erbarmt, verändert er, fügt im Leben etwas neu, verwandelt oder heilt.

Lassen Sie sich einladen, für jemanden die Hände zu falten, der arm dran ist. Vielleicht ist es auch einfach einmal dran, dass Sie Gott für sich selber bitten, ob man Ihnen die Sorgen ansieht oder nicht. Denn Gott ist stark und gütig, er ist der Allmächtige und Barmherzige.

 

Pfarrerin Arne Mehnert, Jöhstadt