Schein oder Sein

Meistens ärgere ich mich über Werbung im Fernsehen.

Aber manche Werbespots fand ich auch lustig oder nachdenklich, z.B. wo ein junger Mann eine alte Frau über die Straße führt, die gar nicht über die Straße wollte und sich nun fragt, wie sie wieder auf die andere Seite kommt.

Erinnern Sie sich noch an eine ganz alte Werbung? Zwei Politiker unter­zeichnen einen Vertrag mit zu­friedenem Lächeln. Danach ste­hen sie auf und umar­men sich. Während dieser Szene schwenkt die Kamera und bringt das Geschehen unter dem Verhandlungstisch ins Blickfeld. Jetzt sieht der Zuschauer, wie sich beide Politiker nicht nur umarmen, sondern auch gleichzeitig kräftig ins Schienbein treten. Sie verbergen ihren Schmerz hinter verbindlichem Lächeln und kräftigem Hände­schütteln. Der Werbespott endet mit dem Slogan: „Bei ARD und ZDF sitzen sie in der ersten Reihe.“

 

Schein und Sein, wie groß ist oft doch der Unter­schied!

Schon der Prophet Jeremia aus dem Alten Testament der Bibel kritisierte, dass Reden und Handeln bei den Menschen seiner Zeit nicht überein stimmten. Scheinheilig nennen wir das.

Damals gab es aber auch sogenannte falsche Propheten, die dem Volk nach dem Mund redeten, die Menschen in ihrer Lebensweise bestärkten.

Jeremia versuchte das Volk unter Einsatz seines Lebens wach zu rütteln, bevor es ein schlimmes Erwachen gibt. Leider glaubten die Menschen damals lieber den falschen Propheten. Das machte ja auch weniger Mühe.

 

Auch heute sind wir Menschen in der Gefahr, mehr scheinen zu wollen, als wir sind. Das tut dem eigenen Ego gut und soll manchmal auch bei Bewerbungen helfen.

Viele Menschen führen ein Scheinleben. Sie nicken – wie damals zu Zeiten Jeremias -zustimmend, wenn es um Gesetze geht, die Ausländern ein Lebensrecht im Lande einräumen, die die Betreuung von alten und kranken Menschen verbessern oder die Umwelt schützen; aber sie verhalten sich nicht den Gesetzen entsprechend. Dabei will ich nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Wir wissen es alle: Reden ist eben oft leichter als Handeln.

 

Deshalb brauchen wir auch heute Menschen, die uns wach rütteln. Wir erleben, wie das Fingerspitzengefühl im Umgang miteinander immer mehr in die Ellenbogen rutscht und sich Hass breit macht. Auch heute kommt es darauf an, auf die richtigen Stimmen zu hören. Das sind meist nicht die lautesten.

Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Wahrhaftigkeit, was Jeremia damals einforderte, sind ein gutes Fundament für‘s Leben.

Gott wird geehrt und sein Wille geachtet, indem man das Leben anderer achtet.

Die Bibel weist uns auf ein Leben hin, dass anderen und auch uns selbst gut tut.

 

Pastor Diethelm Schimpf

Evangelisch-methodistische Kirche Annaberg-buchholz