Erkennen, was zum Frieden führt

Erkennen, was zum Frieden führt

 

Als Jesus von Nazareth nach Jerusalem kam „sah er die Stadt und weinte  über sie und sprach: ‚Wenn doch auch du erkenntest zu dieser Zeit, was zum Frieden dient!“ So hat es der Evangelist Lukas überliefert (Lukasevangelium 19, 41f.).  Es ist ein Satz aus dem Predigttext, der für den 10. Sonntag nach Trinitatis empfohlen wird. Dieser Sonntag wird  als Israelsonntag begangen und erinnert daran, dass Jerusalem im Jahr 70, n. Chr. durch Kaiser Titus eingenommen und der Tempel zerstört wurde.  Zur Trauer über diese Tragödie gehört aber auch, was seine entsetzliche Fortsetzung bis hin zum Holocaust unter „christlichen“ Nationen fand.  Jesus, sah, dass das, was sich damals in Jerusalem an religiösen und damit zugleich politischen Leben abspielte, kein gutes Ende nehmen würde. Die Verantwortlichen waren blind für die Nähe und Zuwendung der Liebe Gottes, die sie in Jesu Worten und Taten zum Frieden rief. Er blickt auf Jerusalem und die Menschen, urteilt nicht über sie, verurteilt sie nicht, sondern weint über sie. Er lässt in sein Herz blicken und damit in das Wesen Gottes, der voller Leidenschaft für Jerusalem und die Menschen aller Orte am Werk ist. Seine Tränen trüben nicht den Blick, sondern schenken, getrocknet, einen umso klareren Blick. Darum geht Jesus bewusst seinen Weg bis ans Kreuz.  Es  ist der Weg den Gottes Liebe für uns geht. Es ist der Weg, der zum Frieden führt. Auf diesen Weg ruft er uns durch das Evangelium, die Gute Nachricht. Ob wir das erkennen? Vor 100 Jahren predigte Karl Barth: „Seht, diesen Weg Jesu stellt nun das Evangelium auch uns vor Augen. Und das ist’s, was uns allen vor Allem geschehen sollte, dass wir diesen Weg sehen, Freude daran bekommen und den Mut fassen mitzugehen. Das Evangelium ist die Ankündigung einer neuen Welt. […]. Das Evangelium Jesu ist die Frage Gottes an uns: wer soll Recht behalten, ihr oder ich? Das Evangelium Jesu ist die freundliche Einladung: kommt doch und sehet’s ein, was zu eurem Frieden dient.“ Welchen Weg gehen wir, welchen Weg nimmt die Gesellschaft? Jeder Einzelne steht vor dieser Frage und hat Anteil an dem, was hier und heute geschieht. Was wir denken, reden, wie wir miteinander umgehen, welche Motive unser Handeln bestimmen, es bleibt nicht ohne Folgen und diese sind nach Jesu Wort absehbar. So weint Jesus bei Luther über das deutsche Land, das sich der Gnade Christi verschließt und dafür nichts Gutes zu erwarten hat (WA 34/II, 84f.). Es lohnt sich, darüber nachzudenken, nicht nur über die anderen, sondern über das eigene Leben und was wir wollen.  Es bedarf der Erkenntnis und Einsicht, dass Gott „Gedanken des Friedens und nicht des Leides (Jeremia 29, 11) hegt und sein Friedensangebot steht.

 

 Thomas Röder

Pastor i.R.

Ev. -methodistische Kirche Crottendorf