DEN WEG BEREITEN

Wie empfängt man einen Machthaber? Ich erinnere mich an die Vorbereitung eines Besuchs des Armeegenerals zu meiner Bausoldatenzeit vor 30 Jahren. Da wurden Wege geharkt und ausgebessert, Tarnnetze über schadhafte Stellen an der Kasernenfassade gehängt, Wände mit lebensfroher dunkelgrauer Ölfarbe neu gestrichen. Der Militärchef sollte einen guten Eindruck bekommen und die Untertanen wollten vor ihm in bestem Licht erscheinen.

 

Wenn heute Staatsbesuch erwartet wird, werden ganze Straßenzüge gesperrt, wird eine Armada von Sicherheitsbeamten aktiviert. Medienvertreter reisen in Scharen an, um jede Geste festzuhalten, jedes Wort des Gastes dokumentieren und auf die Goldwaage legen zu können. Erwartungsvoll wird diskutiert: Was bringt er für „Geschenke“ mit, wird es Verbesserungen und neuen Perspektiven geben – oder bleibt letztlich doch alles beim Alten?

 

Während die einen resigniert abwinken und meinen, dass bei solchen Besuchen ja sowieso nichts herauskommen wird, erhoffen andere eine Änderung von Dingen und Situationen.

Der Prophet Jesaja schreibt von der Ankunft Gottes bei seinem Volk. Die hatten den Eindruck, Gott habe sich zurückgezogen, sie im Stich gelassen. Sie hatten auf das machtvolle militärische Eingreifen ihres Gottes gesetzt, gehofft, von seiner Macht profitieren zu können, aber Krieg, Niederlage und Verbannung erlebt. Von Gottes Macht und Größe war nichts zu spüren gewesen. Nun ruft Jesaja den Leuten, die nichts mehr erwarten, zu: „Bahnt dem Herrn einen Weg; der Herr kommt als ein mächtiger Gott. Er herrscht mit großer Kraft und wird euer Schicksal wenden. Er sorgt für sein Volk wie ein guter Hirte.“ (Jesaja 40 i.A.)

 

Die christliche Gemeinde versteht Gottes Ankunft bei Jesaja als einen Hinweis auf Jesus Christus. Auf dessen Ankunft zum Christfest bereiten wir uns in der Adventszeit vor. Er war keiner, der große Auftritte und Inszenierungen gewählt hat. In einem Stall zur Welt gekommen, bei einer Tischlerfamilie groß geworden, auf einem Esel Einzug gehalten – das passt nicht ins Bild eines Mächtigen. Und doch hat er die Welt mit der Macht der Liebe und der Demut verändert. Für ihn muss ich nichts beschönigen oder inszenieren. Ihm den Weg bereiten, ihn empfangen heißt erwartungsvoll seiner zugesagten Hilfe vertrauen und sich von seiner Güte beschenken lassen.

 

Diakon Klaus Mehlhorn ist als Bezirksgemeindereferent im
Ev.-Luth. Kirchenbezirk Annaberg tätig.