Lieber dreifaltig als einfältig

In den vergangenen Tagen habe ich mich richtig über die Sonne gefreut. Die Wärme der Sonne auf der Wange zu spüren, tut wirklich gut. Und wenn die Sonne scheint, ist meine Stimmung gleich etwas munterer als wenn es bedeckt oder regnerisch ist.

Einst lebte ein König, der in langen Jahren die ganze Welt gesehen hatte. Als der König alt wurde, wünschte er, auch noch Gott zu sehen. Also befahl er seinen Ministern, ihm Gott zu zeigen. Er setzte ihnen – unter Androhung der Todesstrafe – eine Frist von drei Tagen.

Da wurden alle im Palast traurig und erwarteten ihr Ende, denn niemand wusste, weder am ersten noch am dritten Tag, wie sie ihrem König Gott zeigen konnten.
Als sie noch verzweifelt herumstanden, kam ein Hirte vom Lande, der den Befehl des Königs vernommen hatte, und sprach: „Gestatte mir, König, dass ich deinen Wunsch erfülle.“ „Gut“, entgegnete der König, „aber bedenke, es geht um deinen Kopf!“ Der Hirt führte den König ins Freie und wies auf die Sonne. „Schau hin“, sprach er. Der König wollte in die Sonne blicken, aber ihr Glanz blendete seine Augen, so dass er sie schließen musste. „Willst du, dass ich erblinde?“ sprach er zu dem Hirten. „Aber König!“ sagte dieser, “die Sonne ist doch nur ein geschaffenes Ding, ein Abglanz des göttlichen Lichtes. Wie willst du da mit deinen schwachen Augen Gott schauen können? Suche ihn mit anderen Augen!“ (nach Leo N. Tolstoi)

 

Was hat diese kleine Geschichte mit dem Sonntag „Trinitatis“ zu tun? „Trinitatis“ bedeutet „Dreieinigkeit“. Darunter verstehen Christinnen und Christen Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Das ist eine Form, von Gott zu sprechen, über die viel diskutiert wird, die umstritten ist, sowohl innerhalb des Christentums als auch im Dialog der Religionen.
Und was hat das jetzt mit der Geschichte von der Sonne zu tun?

 

Diese Geschichte ist ein Versuch, zu beschreiben, was Gott ist, wie Gott ist.
Wir Menschen können Gott nicht sehen, und wahrscheinlich auch nie in seiner Fülle erfassen. Mit unseren Worten haben wir nur eingeschränkte Möglichkeiten, genauso wie die Augen des Königs und auch unsere Augen nicht ausreichen, um in die Sonne sehen zu können. Wir können Gott letztlich nicht beschreiben und versuchen es doch immer wieder. Denn wir Menschen brauchen Vorstellungen und Bilder, um glauben und verstehen zu können. Die Dreieinigkeit Gottes ist für mich ein Versuch, von Gott zu sprechen, der genauso unvollkommen ist, wie es das Gleichnis von der Sonne ist.
Ich bin froh, dass es solche Bilder und Vergleiche für unseren Glauben gibt. Gott ist nicht die Sonne, und doch zeigt uns die Sonne etwas von Gott: Ihre Strahlen wärmen uns, ihr Licht durchdringt die Finsternis des Weltalls, ihre sichtbaren Zeiten geben unserem Leben einen Rhythmus.

Gott sei Dank für die Sonne!

 

Gemeindepädagogin Claudia Küchler